2.2. Normwerte – das leidige Thema
Früher, genauer gesagt seit dem 19. Jahrhundert, berechnete sich das Normalgewicht nach einer Formel des französischen Militärarztes Paul Broca. Dabei zieht man von der Körpergröße in Zentimetern einfach 100 ab. Bei einer Größe von Beispielsweise 175 cm, liegt das Normalgewicht damit bei 75 kg. Damals waren die Menschen allerdings eher zu dünn, und wer unter diesem Wert lag, galt als schlecht genährt. Man muss aber dazu sagen, dass Broca beim Militär hauptsächlich junge Männer im Blick hatte.
Mitte des 20. Jahrhunderts, als Unterernährung zuerst in den USA und mit dem Wirtschaftswunder auch bei uns kein Problem mehr war, wurde dann das Idealgewicht „erfunden“. Man zog einfach vom Normalgewicht 10 % ab. Um beim obigen Beispiel zu bleiben:
Körpergröße = 175 cm
Normalgewicht = 175 – 100 = 75 kg
Idealgewicht = (175 – 100) – 10 % = 67,5 kg
Heute gilt der BMI – der Body-Mass-Index – als wichtigstes Kriterium, um Übergewicht zu bestimmen. Dieser berechnet sich nach einer einfachen Formel: Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat. Die Formel stammt übrigens vom belgischen Mathematiker Adolphe Quetelet, einem Zeitgenossen Brocas.
Beispiel:
Bei 175 cm (= 1,75 m) Körpergröße und einem Gewicht von 70 kg:
70 : 1,75 x 1,75 = 22,86
Um es noch einfacher zu machen, benutzen Sie einfach den BMI-Rechner.
Für den ermittelten Wert gilt:
Bedeutung | BMI |
---|---|
Normalgewicht | 19–24,9 |
Übergewicht | 25–29,9 |
Adipositas Grad I | 30–34,9 |
Adipositas Grad II | 35–39,9 |
Adipositas Grad III | ≥ 40 |
Man sieht in der Tabelle, dass zwischen Normalgewicht, Übergewicht und Adipositas, also der Fettsucht, in verschiedenen Schweregraden unterschieden wird. Diese Tabelle wird von der WHO als Richtlinie empfohlen. Dabei ist das eine recht einfache Sicht der Dinge, und die Tabelle unterscheidet weder zwischen Mann und Frau, noch berücksichtigt sie das Alter. Böse Zungen behaupten, diese Tabelle wäre von der Pharmalobby initiiert und sollte möglichst viele Menschen als übergewichtig einstufen und das gleichzeitig zur Krankheit machen.
Es gibt tatsächlich auch eine BMI-Tabelle des National Research Council (NRC) der USA von 1989, die mit steigendem Alter einen höheren BMI für normalgewichtig einstuft.
Alter | BMI |
---|---|
19–24 | 19–24 |
25–34 | 20–25 |
35–44 | 21–26 |
45–54 | 22–27 |
55–64 | 23–28 |
Ab 65 | 24–29 |
Quelle: National Research Council: Diet and Health. Implications for
Reducing Chronic Disease Risk. National Academy Press, Washington D.C.
(1989)
Denkanstoß:
Galt bei Broca der 175 cm große und 75 kg schwere Soldat noch als optimal ernährt, so hat er doch einen BMI von 24,49. Nach der Tabelle der WHO ist er damit schon fast übergewichtig, und nach der Tabelle des NRC gilt er bereits als übergewichtig, wenn er 19–24 Jahre alt ist.
Galt bei Broca der 175 cm große und 75 kg schwere Soldat noch als optimal ernährt, so hat er doch einen BMI von 24,49. Nach der Tabelle der WHO ist er damit schon fast übergewichtig, und nach der Tabelle des NRC gilt er bereits als übergewichtig, wenn er 19–24 Jahre alt ist.
Doch man sollte sich generell davor hüten, sein Wunschgewicht an Normwerten festzumachen. Das Problem ist nur: Jeder Mensch ist anders. Wer Sport treibt, baut Muskeln auf, und diese sind schwerer als Fett. Ein durchtrainierter Mensch neigt also eher zu Übergewicht – eigentlich paradox. Deshalb sollten diese Werte immer nur als Richtlinie dienen.
Im Ärztemagazin JAMA wurde im April 2005 eine Studie veröffentlicht, die Sterblichkeitsrate und BMI untersuchte. Dabei zeigte sich, dass so genanntes leichtes Übergewicht mit einem BMI von 25–30 zu keiner höheren Sterblichkeit führt. Erst ab einem BMI von 30 steigt also das gesundheitliche Risiko.
Wenn ich Sie mit diesen ganzen Formeln und Zahlen verwirrt habe, dann ist das durchaus gut so. Was lernen wir daraus? Der BMI ist wohl nicht ganz so perfekt, wie gewünscht. Aber er ist heute eben einfach der Standard bei der Beurteilung des Übergewichts. Wäre es vielleicht manchmal nicht besser, wenn ein Arzt seinen Patienten aufmerksam anschaut und vielleicht auch noch fragt, wie es ihm geht? Solche einfachen Methoden sind anscheinend nicht mehr in.
Dieser Text ist aus der ersten Auflage des Buches "Leben ohne Diät" aus dem Jahr 2005.
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2.1. Die Kalorienzähler | 2.3. Warum man nicht auf Experten hören sollte | |||
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